Die Digitalisierung erfasst
alle Lebensbereiche.
Warum wird dennoch daran festge-
halten, kategorial zwischen »öffent-
lich« und »privat« zu trennen?
Die bürgerliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft, keine Gemeinschaft.
Soziologisch macht eine solche Feststellung einen bedeutsamen
Unterschied. Warum basiert die große Mehrzahl der Theorien zu
Privatsphäre oder Datenschutz dennoch auf unterkomplexen Annahmen, die
sich auf eine »Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit
der Person« stützen? So verwenden viele Textpassagen, um Beispiele
anzuführen, das Pronomen »wir«, einen Bezeichner für eine
Gemeinschaft. Wer genau ist mit diesem, einen Konsens unterstellenden
»wir« gemeint? Eines der zentralen Merkmale moderner gesellschaftlicher
Informationsverarbeitung ist deren zunehmende Industrialisierung. Warum
werden dann immer noch vor allem individuelle Befindlichkeiten und
Bedürfnisse als Ausgangspunkt für eine Problemanalyse gewählt? Und
warum werden vor diesem Hintergrund in erster Linie Personen als
mögliche Angreifer in den Blick genommen? Warum sollen unterschiedliche
Anforderungen an öffentliche und private Datenverarbeiter gestellt
werden, wenn deren organisatorische und technische Praktiken der
Informationsverarbeitung sich inzwischen weitgehend gleichen? Ist diese
Unterscheidung in »öffentlich« und »privat« vielleicht nur ein
juristisch untergeschobenes Artefakt?
Anforderungen an eine Theorie des Datenschutzes für das 21. Jahrhundert
(abgesagt)
27. März 2015
Humboldt-Universität zu Berlin
Programmkommittee:
Jörg Pohle (Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft)
Martin Rost (ULD Schleswig-Holstein)
Die Zahl der Texte zur Beschreibung und Erklärung von Privacy,
Privatsphäre, Privatheit, Surveillance oder Datenschutz ist Legion –
ihre Qualität nicht selten wissenschaftlich fragwürdig. Zugrunde gelegte
Annahmen werden oft entweder nicht offengelegt, sind historisch überholt
oder basieren auf einem weitgehenden Unverständnis gegenüber den
informationstechnischen und soziologischen Grundlagen. Den verwendeten
Theorien zugrunde liegende Akteurskonstellationen überschneiden sich
nicht oder nur marginal mit den Akteurskonstellationen im betrachteten
Phänomenbereich. Den handelnden Akteuren werden Eigenschaften wie
Rationalität, Kenntnisse oder Praktiken der Informationsverarbeitung
unterstellt, die sich mit den beobachtbaren und beobachteten nicht
unbedingt decken. Gleiches gilt für die von den verschiedenen Akteuren
mit der Informationsverarbeitung verfolgten Zwecke. Schließlich wird
die Frage, wie Akteure und Sozialstrukturen, wie Personen und Soziale
Systeme zueinander kommen, als Problem erst gar nicht erfasst. Kurz: Der
aktuellen Privacy-, Privatsphären-, Privatheits-, Surveillance- und
Datenschutzdiskussion fehlt es an fundierten theoretischen Grundlagen
im Kontext einer Weltgesellschaft, in denen Organisationen sich
anschicken, auch im Bereich der Informationsverarbeitung weitgehend
durchindustrialisiert zu agieren. Wir sind nicht der Auffassung, dass
eine theoretische Befassung mit diesen Themen obsolet geworden ist, ganz
im Gegenteil.
Termine:
17.08.2014: Call for Papers
02.11.2014: Einreichung der Abstracts
23.11.2014: Acceptance Notification
01.02.2015: Einreichung der Beiträge
01.03.2015: Anmeldeschluss (mit Reader)
02.03.2015: Verschickung der Reader
20.03.2015: Anmeldeschluss (ohne Reader)
27.03.2015: Workshop
Im Workshop sollen Qualitätsanforderungen an eine fundierte Theorie des
Datenschutzes für das 21. Jahrhundert formuliert werden. Welche
Anforderungen sind also aus – disziplinärer wie interdisziplinärer –
wissenschaftlicher Sicht an eine solche Theorie und ihre Genese zu
stellen? Welche Phänomenbereiche müssen von der Theorie beschrieben und
erklärt werden können, welche nicht? Welche Akteurskonstellationen und
welche Machtverhältnisse müssen von der Theorie beschrieben und erklärt
werden können, welche nicht? Welche Annahmen über die Umwelt –
Gesellschaft, Organisation, Interaktion, Technik, Verfahren – sind
zulässig, welche nicht?
Qualitätsanforderungen
Wir freuen uns auf die Einreichung Ihrer Skizzen bzw. Abstracts bis zum 2.
November 2014.
Skizze: nicht mehr als 3.000 Zeichen
Text: nicht mehr als 30.000 Zeichen
02.11.2014: Deadline für die Skizzen
Da leider zu wenige Beiträge mit hinreichender Fokussierung auf das –
zugegebenermaßen sehr fordernde – Thema des Workshops eingereicht wurden,
sehen wir uns leider gezwungen, den Workshop vorläufig abzusagen.
Workshop abgesagt